2. AUGUST AB 19:00 UHR
Oranienstr. 45, Berlin
In der Geschichte des Landes, aus dem wir stammen, müssen wir nichts als selbstverständlich annehmen: Die Werte unser Verfassung, die demokratische Ordnung der Italienischen Republik, die aus dem Fall des Faschismus hervorgegangen ist. Eine besonders komplexe Beziehung zwischen dem italienischen Staat und seinen Bürger*innen wird Gegenstand einer Reflexion sein, die wir anlässlich eines sehr bedeutenden Jahrestages öffentlich und gemeinsam tun wollen.
Vor 40 Jahren, am 2. August 1980, um 10.25 Uhr, stürzte eine beeindruckende Menge prengstoff, in einem verlassenen Koffer eines Wartensaals des Bahnhofs Bologna, einen Flügel des Gebäudes ein und traf einen Zug, der auf den Gleisen wartete. 85 Menschen wurden getötet und 200 verletzt. Zunächst wollen wir unsere Solidarität an die Vereinigung der Familienangehörigen der Opfer des Massakers ausdrücken, die an diesem Tag, wie jedes Jahr, in Bologna demonstriert und auch nach 40 Jahren weiter um die Wahrheit über die Anstifter kämpft. https://www.stragi.it/
letzte mutmaßliche materielle Täter einer rechtsextremen bewaffneten Organisation, der selbsternannten NAR (Revolutionären Streitkräfte) verurteilt worden. Er und die NAR streiten bis heute weiter ab, die Bombe gelegt zu haben.Um die Wahrheit über Anstifter und organisatoren zu erfahren, müssen wir auf einen weiteren Prozess warten. Dieser Prozess wird sowieso eher einen historischen als juristischen Wert haben, denn die Verantwortlichen sind bereits gestorben oder sehr alt. Selbst vor Gericht wurde bereits festgestellt, dass die faschistische Organisation unter der Aufsicht der Geheimdienste des italienischen Staates handelte und von der Freimaurerloge Propaganda 2 geschützt und finanziert wurde. Ohne auf die Schlussfolgerungen eines neuen Prozesses warten zu müssen, lässt das, wie auch vor Gericht festgestellt wurde, einige Feststellungen zu, von denen die wichtigste die so genannte “schwarze Spur” betrifft, die in den italienischen Staatsicherheitsapparaten verschwimmt.
Es zeichnet sich ein Bild ab, in dem Agenten und Offiziere jahrzehntelang nach dem Fall des Faschismus Löhne vom italienischen Verteidigungsministerium erhalten haben, ohne ihre Loyalität gegenüber dem früheren Regime leugnen zu müssen. Dieselben führten einen Bürgerkrieg geringer Intensität gegen einen bedeutenden Teil der italienischen Bevölkerung weiter. Dieser Teil der italienischen Bevölkerung, der gerne unter einer linken Regierung gelebt hätte, der an die PCI glaubte oder in Gewerkschafts- und Sozialorganisationen kämpfte, von der institutionellen Linken bis zur radikalen Linken, war ein militärisches Ziel in einem nicht orthodoxen Krieg.
Seit dem Fall des Faschismus in Italien bis Ende des Kalten Krieges bestand „ein geheimes Netzwerk aus ehemaligen Offizieren der Salò Republik, ehemaligen badoglianischen Offizieren, Unternehmern, Industriellen, Prominenten aus der politischen und wirtschaftlichen Welt, ein Netzwerk des organisierten gemeinsamen Verbrechens. Es diente als Bindeglied zwischen politischen und zivilen Hierarchien sowie zwischen militärischen Hierarchien und Geheimdiensten in einer antikommunistischen Funktion“.
Verschwörungstheorie? Nein, schreibt Antonio Cornacchia, Ex-Oberst (inzwischen pensionierter General) der Geheimdienste, in seinen Memoiren, in denen er über den “Noto Servizio”, die informelle Struktur des Militärgeheimdienstes, spricht. Antonio Cornacchia ist keine extrem wichtige Figur, nicht einmal extrem intelligent, nur einer von vielen. Er erklärt im Wesentlichen, dass er in seiner Karriere dem italienischen Staat nicht mehr gehorcht hat sondern eher seiner Freimaurerloge, der Propaganda 2, die in diesen Jahren von Licio Gelli geleitet wurde. Die P2, wie im Prozess von 2020 bestätigt wurde, hat die NAR, die „Revolutionären Streitkräfte“, mit Millionen von Dollar finanziert.
sich für die Politik der “progressiven Demokratie” und beschloss, zur Verteidigung der Institutionen der Republik, die Seite des “Sinnes des Staates” zu vertreten (wie frei diese Wahl war, stand im Schatten der Lehre des chilenischen Putsch von 1973). Tatsache ist, dass faschistische Apparate sich im selben italienischen Staat befanden und immer noch denselben Klasseninteressen dienten, die Mussolini an die Macht gebracht hatten. Von der NATO Loyalität legitimiert, haben sie nie aufgehört ihre Aufgabe bis dahin fortzusetzen: Diese Aufgabe war die Vernichtung – endlich erfolgreich – einer kommunistischen Massenkraft für eine “Stabilisierung der Gesellschaft im konservativen Sinne”.