“Aus dem Land der abweichenden Geheimdienste” – Bericht über das Treffen zum 40. Jahrestag des Massakers in Bologna

Am 2. August gelang es unserem CollettivoO45, aufgrund einer Reihe von Zufällen und möglicherweise auch aufgrund unserer Exterritorialität als Diaspora, verschiedene Teile der hier in Berlin representierte italienischen Linken zusammenzubringen. Der örtliche ANPI-Verband (Partisan-Innen italienische Verein) Berlin-Brandenburg war vertreten, ein überparteilicher Verein, dessen Mitglieder sich de-facto politisch im Bereich Mitte-Links befinden. Es gab die lokale Gruppierung der Sardinen-Bewegung, und auch Genoss-Innen mit politischer Erfahrung in der außerparlamentarischen Linken, wie derjenige der schreibt. Die VVN-BdA (Vereinigung der Verfolgte vom Nationalsozialismus – Bund der Antifaschist-Innen) und andere deutsche Genoss*innen, mit denen wir dieses Stück Geschichte “aus dem Land der abweichenden Geheimdienste” teilen wollten, antworteten ebenfalls auf die Einladung.

Um in die Geschichte einzutauchen, wurde zum Anfang der Veranstaltung ein Auszug aus der Videoarbeit “Bologna 2. August 1980” gezeigt, brisante Dokumentation an dem Ort des Massakers, die wir vom AAMOD Archivio Audiovisivo del Movimento Operaio e Democratico erhalten haben.
Hier findet ihr das bearbeitete und mit Untertiteln versehene Video der Rede, die Aldo Giannuli – Historiker und ehemalige Mitglied einer Parlamentarische Auschuss über den Massaker – uns gesendet hat:

Es ist vor allem Giannulis Intervention zu verdanken, dass wir es mit der Diskussion geschafft haben, dem Punkt einer mögliche “Neuzusammensetzung” des historischen Gedächtnisses aus unterschiedliche linke Perspektiven, näher genug zu kommen. Das Verschwinden einer kommunistischen Massenkraft, die in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts im Westen einzigartig ist, hat eine Lücke in Bezug auf die Forderungen der Emanzipation der Klasse die von eigener Arbeit lebt und der Umverteilung des Reichtums, hinterlassen. Um die Strategien der historischen Agenten zu verstehen, die dieses Verschwinden offen verfolgt haben, ist Giannulis Ansatz eine gültige Hilfe, da er uns hinaus hilft, abgesehen von den ebenfalls stattfindenden Verschwörungen, sich mit einer politischen Kultur und einem Projekt von institutionellen Reformen auseinanderzusetztzen. Die politische Kultur des „Demokratischen Wiedergeburtsplans“ der Freimaurerloge P2, die letztendlich auch in die PCI eindrang, und folglich in die politische Kraft die ihre Struktur geerbt hat.

Wir sind von einer Annahme ausgegangen, die Giannuli als Wendepunkt signalisiert: die Entscheidung der PCI, den Bürgerkrieg als Thema nicht mehr fokussieren zu wollen, um alles in einen sogenannten “langen Marsch durch die Institutionen” zu investieren. Also verstehen wir, auf welchem ​​Weg Togliattis Partei hat sich in der Position gefunden die sozialen Bewegungen zu seiner Linken als Subversion zu bekämpfen, indem auf der Seite eines Staates sich aufstellte, dessen Sicherheitsapparate ihn wiederum – wie Giannuli klar erklärt – als “Anti-System-Kraft” bekämpften.

 

Daher haben wir die Unfähigkeit zum Dialog der PCI mit den sozialen Bewegungen der außerparlamentarischen Linken in ihren Kontext gestellt, die nicht nur die bewaffneten Avantgarden waren, die den Volksaufstand fetischisierten (ohne einer ernsthafte Analyse auf militärische Ebene). Diese Bewegungen von den 1960er bis zu den frühen 1980er Jahren drückten soziale Fragen aus, die das System nicht beantworten konnte – die feministische Kritik des Patriarchats, des Antimilitarismus, der Antipsychiatrie, im Allgemeinen die unterschiedlichen Ausdrücke einer Unvereinbarkeit der Klasseninteressen.

Unser Hauptziel als Veranstalter-Innen war nicht alte Rechnungen aus der Vergangenheit zu begleichen, auch wenn ehrlich und ohne Wiederbelebung der Schärfe geschehen sollte – wie der ehemaliger Militant der Autonomia Operaia, der in der Pause nach der Vorführung des Videos zu dem alten Genossen der PCI und CGIL, heute in Berlin im ANPI, ging, und mit einem Lächeln sagte: “Erinnerst du dich, wie viele Schläge ihr uns am 4. August 1980 in Bologna versetzt habt, als wir den Platz mit einem Banner mit der Aufschrift” Bomben setzen die Bosse darauf” betreten wollten?

 

Unser Ziel ist dieser Arbeit der Neuzusammenstellung der Linken mit einer historischen Lesart teilzunehmen, die heute möglichst einfacher geworden sein könnte. Dies liegt daran, dass heute die Vertretung für Emanzipation und Umverteilung des Reichtums total ins Leere läuft, mit den Erben der PCI – und des historischen Kompromisses – die immer noch den politischen Raum der linken Alternative besetzen, auch wenn sie seit Jahrzehnten der neoliberale Ideologie sich angeschlossen haben. Ein weiteres Element, das den Demokratischen Wiedergeburtsplan der Loge P2 zu einem “prophetischen” Text macht.

Das Projekt von Rifondazione Comunista eine kommunistische Kraft in Italien weiterzuführen ist definitiv gescheitert in ihrer selbstzerstörerischen Taktik einiger Jahrzehnte, das Pendel zwischen Mitte-Links-Regierungen und Konsortien aus der außerparlamentarischen linken Bewegungen auf der Suche nach einen Posten in der Politik zu machen. Die Kultur des “magischen Kreises”, nach der die demokratischen Strukturen ein Hindernis für die politische Wirksamkeit darstellen, hat auch ihren Weg in eine radikale Linke gefunden. Wie alle Minderheiten an die feindliche Umfeld angepasst hat aus der Ebbe der 80er Jahre, auch als Lobby ausgestattet. Beispiele dafür haben wir im Überfluss, einige ältere und andere relativ aktuelle: von Lotta Continua über das, was der Area der Autonomia überlebt hat, bis hin zu den jüngsten Erfahrungen.

Abwesend bleibt immer ein öffentlicher politische Raum für Debatte und kollektive Initiative, der mit transparenten Regeln gestritten werden kann. Ein Raum für die Ausarbeitung politischer Instanzen, um mit allen Mitteln eine Kontrolle der Gesellschaft über die Wahlversammlungen, in denen Entscheidungen getroffen werden, zu verwirklichen.
Dies liegt daran, dass autoritäre und neo-elitäre Projekte, wie im Fall des gerade in Italien abgehaltenen Verfassungsreferendums, nicht erneut von einer falschen Konfrontation über die verweigerte politische Vertretung profitieren.